Warum ich euch nicht wählen kann – Teil 3: AfD

Hier nun der dritte Teil meiner Reihe “Warum ich euch nicht wählen kann”. Wer noch nicht weiß, was das alles soll, kann hier lesen, was es damit auf sich hat. Heute beschäftige ich mich mit der Alternative für Deutschland.

Liebe AfD,

es wäre so einfach, euch mit irgendeiner Kritik zu überhäufen. Ich bräuchte einfach nur bei einem Spiegel Kolumnisten, einem Ralf Stegner, einer Claudia Roth oder sonst irgendeiner beliebigen Figur aus dem links-grünen Spektrum abschreiben, euch in jedem zweiten Satz als Nazis diffamieren und mich nicht mit euren Personen oder Inhalten auseinandersetzen. Der Applaus von nicht zu smarten Horden an Studenten, Schulz-Kultlern oder veganen-skinny-Latte-aus-fairtrade-Bohnen-Trinkern, die sich in ihrem sehr schmalen Weltbild und ihrem sehr peinlichen Feindbild dann bestätigt fühlten, wäre mir sicher. Das ist mir zu billig und außerdem haben wir das doch alles schon 1000 mal gelesen.

Zunächst einmal möchte ich euch sagen, was ich äußerst sympathisch an euch finde: Ihr seid unbequem. Nicht unbequem auf eine Alt-68er-Art wie die Grünen, sondern auf eure ganz eigene Art. Mich amüsiert der Wandel im politischen Tagesgeschäft. Nicht gerade wenige Positionen, welche ihr 2015 vertreten habt und für welche ihr als Nazis verschrien wurdet, wurden im letzten Quartal von CDU/CSU, teils gar von der SPD und vom allseits nicht zu sehr beliebten Justizminister aufgegriffen und angenommen. Belustigend, wie es in der Wahrnehmung der oben angesprochenen Gruppen nicht vom politischen Inhalt, sondern nur vom Sender abzuhängen scheint, wer ein Nazi ist und wer nicht. Wie auch immer – für diesen Unterhaltungswert: Danke.

Ich werde einmal mit euren Inhalten anfangen und erst zum Schluss auf Personen zu sprechen kommen. Nach eurem Parteitag in Köln ist nun der Entwurf des Wahlprogramms zur Bundestagswahl verfügbar und ich werde mich daran orientieren.

Im ersten Kapitel geht es um euer Demokratieverständnis und ihr habt wirklich ein paar grundsolide Positionen zur Verbesserung des demokratischen Systems in Deutschland. Insbesondere die Einführung von Volksentscheiden finde ich sehr attraktiv. Mich nervt – wie bei allen anderen Parteien zuvor auch – die Feindbildschaffung im ersten Kapitel. Euer Feindbild sind nicht wie bei den Linken “die Reichen da oben”, sondern “die politische Elite da oben”. Ihr formuliert das so:

Heimlicher Souverän in Deutschland ist eine kleine, machtvolle politische Oligarchie, die sich in den bestehenden politischen Parteien ausgebildet hat. Sie hat die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte zu verantworten. Es hat sich eine politische Klasse herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt.

Naaaajaaa. Ich finde, man sollte zumindest fair bleiben. Jemand, der in diesem Land ein (halbwegs sinnvolles) Ministerium leitet, oder gar viele Jahre Kanzler ist, mit dem kann man gerne unterschiedlicher Meinung sein. Man darf gerne seine Fehler und Fehlentscheidungen anklagen und benennen. So zu tun, als ob diese Jobs solche Eierschaukel-Jobs wären, dass man sie hat, nur weil man sich die eigenen Taschen voll macht und dabei sexy durch Macht wird, finde ich doch etwas daneben. Um ehrlich zu sein, halte ich es für einen Witz, was ein Bundeskanzler für seine 70-90 Stunden Woche und für  die immense Verantwortung als Entlohnung bekommt. Natürlich geht es einer Frau Merkel finanziell nicht schlecht. Würde sie deutlich mehr Kohle bekommen, wäre sie einfach nach der ersten Amtszeit ausgestiegen und in den Aufsichtsrat von irgendeinem DAX-Unternehmen gewechselt? Aber sicher. Um so einen Job mit einer solchen Intensität zu machen, braucht es deutlich mehr, als nur Machtgeilheit und ein bisschen Geld. Ich möchte behaupten, dass solche Politiker Überzeugungstäter sind. Sie wollen dieses Land zum Guten verändern. Man darf gerne nicht einverstanden mit den Überzeugungen dieser Menschen sein, mit Ihnen streiten und eine andere Auffassung davon haben, was “gut” für unser Land ist. Man darf sich gerne dafür einsetzen und dafür kämpfen, dass man es selbst besser machen kann. Aber es gehört sich nicht, jemandem, der sein Leben diesem Land widmet und dessen Alltag aus Arbeit für dieses Land und Schlaf besteht, unterjubeln zu wollen, er tue dies aus unredlichen Motiven heraus.

Die “Einführung eines Straftatbestandes der Haushaltsuntreue” finde ich, ist eine überragende Idee! Denn absolut gibt es Fälle in denen einfach Mist gebaut wird von Politikern in Verantwortung. Wir haben leider viel zu oft Juristen oder Lehrer in der Politik, die dann völlig ungelernt Budgetverantwortungen im Millionen- oder Milliardenbereich übernehmen oder die für riesige Projekte wie den BER verantwortlich sind, ohne jemals in ihrem Leben auch nur ein einziges wirtschaftliches Projekt von ein paar tausend Euro geplant, umgesetzt und abgeliefert zu haben. Ich sehe jedoch ein massives Problem mit einem solchen Straftatbestand: die realitätsnahe Umsetzung. Leider bleibt ihr da auch sehr vage. Wenn ich nun als BER Verantwortlicher dafür persönlich (mit meinem Vermögen oder meiner Freiheit) hafte, dass dieses Monster-Projekt sauber umgesetzt wird, wird sich niemand dazu bereiterklären, diese Verantwortung zu übernehmen. Der Unterschied zum Unternehmer oder Geschäftsführer einer Firma ist dabei, dass dieser ggf. für Fehler auch haftbar zu machen ist, es jedoch am Ende des Tages auch sein Gewinn ist, wenn das Projekt erfolgreich ist. Derjenige, der den BER umsetzen soll, hat nach Abschluss des Projektes nicht den Gewinn des BER in der Tasche 😉 Wie wollt ihr das Problem lösen, dass niemand diese Verantwortung dann mehr übernimmt?
Denkt einen Schritt weiter: Welcher Politiker ist noch bereit Risiken einzugehen, auch wenn es das Beste für das Land wäre, diese einzugehen? Politische Entscheidungen beruhen auf einer Fülle an Informationen aus vielen, vielen Quellen. Dabei muss sich ein Politiker auf Quellen verlassen, damit er überhaupt noch sinnvoll arbeiten kann. Es ist schlicht unrealistisch, dass etwa ein Bundeskanzler alle Informationen, die als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen werden, im Detail selbst überprüft, bevor er eine Entscheidung fällt. Insgesamt eine schwierige Gratwanderung ein solches Gesetz und mir fehlen da sehr viele Details, um daran zu glauben, dass es eine realistische und pragmatische Version gibt, die sich umsetzen und einführen lässt.

In eurem zweiten Kapitel geht es um eure Euro-Kritik. Ich werde dazu nichts schreiben. Der Grund dafür ist der folgende: Ich beschäftige mich einige Zeit bereits mit dem Währungskonstrukt Euro und wie die einzelnen Institutionen miteinander verwoben sind und arbeiten. Zusammengefasst ist es ein verdammt komplexes Konstrukt und ich fühle mich darin nicht so sattelfest, als dass ich eine solide und begründete Meinung dazu haben könnte. Diese gesamte Währungsunion ist so riesig und verworren, dass ich nicht behaupten möchte und kann, dass ich sie wirklich verstanden habe. Darum wäre es falsch, eine Wertung eurer Haltungen dazu vorzunehmen. Die ganzen Umstände, weshalb wer für wen in welcher Höhe und warum haftet und ob und wie das abzuwenden gewesen wäre, ob eine Abwendung sinnvoll gewesen wäre, ob man aus den Haftungen jetzt noch rauskommt, welche Konsequenzen das hätte. All das vermag ich einfach nicht zu beurteilen.

Ihr beschreibt im dritten Abschnitt eine recht liberale Außen- & Wirtschaftspolitik, die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei und die Sicherung deutscher Grenzen. Mit den meisten Punkten gehe ich bedenkenlos konform. Ich vermisse (nicht nur an dieser Stelle) jedoch eine Auseinandersetzung mit dem Potential, welches die EU hat, um die angesprochenen Probleme anzugehen. Man könnte so vieles so effizient mit der EU lösen, würde man nur politisch die Weichen dafür stellen. Zum Beispiel: Anstatt die deutschen Außengrenzen zu sichern, könnte man sich darüber unterhalten die EU Außengrenzen (richtig) zu sichern. Der Vorteil liegt ganz banal auf der Hand: Wir haben etwa 3750 km deutsche Außengrenze. Die EU hat etwa 14300 km Grenze. Deutschland hat grob 80 Mio Einwohner, die EU 510 Mio Einwohner. Es wäre relativ gesehen leichter und effizienter, die EU Grenzen gemeinsam zu schützen, als unsere eigene Grenze. Das wäre doch mal eine politische Forderung. Leider steht eure Grundhaltung zur EU dem im Wege.

“Innere Sicherheit” ist der Titel des nächsten Abschnitts. Ein Kernthema für die Wahl (zumindest, wenn man als Partei gewählt werden möchte ;-)). Ihr schreibt:

 Ermöglichung der Unterbringung nicht abschiebbarer Krimineller im Ausland aufgrund bilateraler Vereinbarungen mit geeigneten Staaten.

Mir ist völlig schleierhaft, was zum einen geeignete Staaten sind und wie zum anderen so ein bilaterales Abkommen aussehen soll. Warum sollte irgendjemand ein Interesse daran haben, Kriminelle von uns abzunehmen? Wie soll das funktionieren?
Völlig mit Kanonen auf Spatzen geschossen, finde ich den folgenden Punkt:

Die Einbürgerung Krimineller ist zuverlässig zu verhindern durch: 1. Verhinderung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch bloße Geburt in Deutschland, weil hierdurch u.a. Angehörige krimineller Clans automatisch zu deutschen Staatsbürgern werden können; […]

Ich möchte einmal behaupten, dass die Mehrzahl der Migranten nicht irgendwelchen kriminellen Clans angehört. Nun pauschal allen Migrantenkindern, die hier geboren wurden, die Staatsbürgerschaft mit DIESER Begründung zu versagen, hinkt jawohl ein wenig. Gleich ein paar Zeilen später schreibt ihr:

Schließlich muss die Ausbürgerung krimineller Staatsbürger mit Migrationshintergrund möglich werden: […]  3. bei Zugehörigkeit zu kriminellen Clans und zwar auch dann, wenn die Ausgebürgerten dadurch staatenlos werden.

Ich glaube ganz ehrlich, dass ihr da etwas über das Ziel hinaus schießt. Was passiert mit den Staatenlosen? Wieder: Warum sollte irgendein anderes Land diese Staatenlosen aufnehmen? Warum sollen nicht wir dafür verantwortlich sein, unsere kriminellen Staatsbürger wegzusperren? Das ist mir alles ein wenig zu kurz gedacht. Man stelle sich einmal vor, unsere Nachbarländer würden staatenlose Kriminelle einfach mal an der deutschen Grenze absetzen und dann sagen “Ist nicht unser Problem. Ist ja ein staatenloser. Soll mal wer anders sich drum kümmern.” Ob damit irgendjemandem geholfen ist, halte ich für fraglich. Wie beugt man denn Justizfehlern vor? Da wird nun jemand staatenlos gemacht und dann stellt sich heraus, er wurde zu Unrecht verurteilt. Einfach mal so Staatenlose produzieren, ist mir als Antwort auf die Probleme ein wenig zu einfach und zu billig. Rattenfängerei.

Ihr fordert als Teil eures Sicherheitskonzepts, die Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre abzusenken. Ihr schreibt dazu:

[…]Eine besondere Rolle hierbei spielen gerade junge Täter, denen derzeit ein geradezu zahnloses Recht gegenübersteht. Erzieherische Erfolge in diesem Segment lassen sich erfahrungsgemäß nur durch sofortige Inhaftierung der Täter schwerer Delikte erreichen. Wegen der immer früher einsetzenden kriminellen Entwicklung muss das Strafmündigkeitsalter auf 12 Jahre abgesenkt […] werden.

Ich frage mich, woher diese Erkenntnis wohl kommen mag. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und die Polizeiliche Kriminalstatistik 2016 angeschaut und in Relation mit demographischen Daten von Statista  gesetzt. Das Ergebnis seht ihr hier:

Na, na, na! Nach diesen Zahlen zu urteilen, spielt ihr da doch etwas Pinocchio! Hört sich toll an: “Jawoll! Härtere Strafen! Schlimm sind die Gören alle! Früher hat es das nicht gegeben!” In Wahrheit gehen die Tatverdächtigenzahlen aber ziemlich zurück und die PKS lässt keine verschärfte Situation erkennen, die meiner Meinung nach einen Handlungsbedarf erkennen ließe. Man sollte auch nicht vergessen, weshalb es so etwas, wie eine Strafmündigkeit erst ab 14 überhaupt gibt. Dieses “weshalb” gebe ich euch einmal als Hausaufgabe 😉

Zur organisierten Kriminalität schreibt ihr:

Die organisierte Kriminalität (OK) muss nachhaltig bekämpft werden. Dazu gehört, Gewinne aus Straftaten besser abzuschöpfen und folgerichtig die bereits bestehenden rechtlichen Instrumente des Verfalls und der Einziehung besser zu nutzen.

Was läuft denn gerade falsch? Ich hab leider keinen Einblick darin, wie die existierenden Instrumente im Moment genutzt werden. Wenn ihr mir jedoch nicht sagt, was falsch läuft, ist das alles eine leere Phrase. “Besser machen” – Ich kann zu jedem einzelnen politischen Thema die leere Hülle “Das muss besser gemacht werden!” in den Raum furzen. Gesagt habe ich nichts, dagegen sagen kann deshalb auch keiner was. Ist mir zu dünn.

Jetzt kommen wir endlich zum Sahnestückchen: der Asylpolitik. Im ersten Abschnitt listet Ihr Fakten (die ich euch trotz des Pinocchio-Ausrutschers bei den Tatverdächtigen Kindern einmal vorerst abnehme) zu Geburtenraten und Bevölkerungswachstum von Afrika und Europa auf und leitet daraus – in Kombination mit den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen der meisten afrikanischen Staaten – einen nicht handhabbaren Wanderungsdruck in Richtung Europa ab. Der Absatz schließt mit dem Satz:

Wir wollen unseren Nachkommen ein Land hinterlassen, das noch als unser Deutschland erkennbar ist.

An dem Satz hab ich mich ein wenig aufgehängt. Was für ein Unfug! Ihr redet über Menschen, die aus anderen Ländern hier her kommen, davon, dass unser Sozialsystem eine solche (meist unqualifizierte) Zuwanderung nicht verkraften wird und dann schließt ihr mit diesem Satz? Was genau macht denn dabei unser Land unkenntlich? Die Menschen? Einverstanden: unqualifizierte Zuwanderung ist eine Gefahr für unser Sozialsystem! Aber das Land ist nicht mehr erkennbar wegen Zuwanderern? Das ist so absurd undifferenziert, dass selbst ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. Der Punkt bei jeder Form der Einwanderung ist NICHT die Herkunft eines Menschen, sondern der Beitrag, den dieser Mensch zu unserer Gesellschaft leistet. Deutschland soll für die Nachkommen noch erkennbar sein. Ich glaub es hackt 🙂 Was meint ihr würden Goethe oder Schiller oder Adenauer oder Bismarck oder…. denken, würde man sie ausbuddeln und Ihnen Deutschland zeigen? Richtig: Sie würden sich nicht zurechtfinden und “ihr” Land wäre für sie nicht wieder zu erkennen. Warum? Weil ein Land und dessen Systeme und dessen Menschen sich weiterentwickeln. Ich will nicht, dass meine Enkel und Urenkel in einem Land leben, was noch als Deutschland 2017 erkennbar ist. Ich will, dass sie in einem besseren Land leben! Genug über einen Satz aufgeregt 😉

Die Grenzen müssen umgehend geschlossen werden, um die ungeregelte Massenimmigration in unser Land und seine Sozialsysteme durch überwiegend beruflich unqualifizierte Asylbewerber sofort zu beenden.

Zu den Grenzschließungen habe ich weiter oben bereits etwas gesagt. Ich bin hier ein wenig enttäuscht. In Talkshows weisen eure Vertreter regelmäßig zurecht auf eine Differenzierung von Asylsuchenden und Einwanderern hin. Dass man sich als Land qualifizierte Einwanderung wünscht ist gut und richtig. Dass man nun von wirklichen Asylsuchenden berufliche Qualifizierung fordert, ist natürlich völlig entgegen der Idee z.B. einem politisch Verfolgten Schutz zu gewähren. Denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Überdies fordert ihr eine jährliche “Mindestabschiebequote”. Abgesehen davon, dass das natürlich völliger Schwachsinn ist, wenn man an ein Asylrecht glaubt – denn: die Anzahl der wirklich Schutzbedürftigen ist offenbar nicht abhängig von irgendeiner künstlichen Quote – widersprecht ihr euch selbst. Zwei Absätze weiter oben schreibt ihr:

Pauschale Zuwanderungsquoten für einen Teil der auswanderungswilligen Bevölkerungen sind ethisch nicht zu verantworten […].

Es ist also ethisch nicht zu vertreten Quoten bei der Zuwanderung anzulegen, aber es ist ethisch zu vertreten, Menschen, die hier bereits angekommen sind aufgrund von Quoten rauszuwerfen. Da fehlt mir Hirnkapazität, um das zu begreifen. Damit wir uns recht verstehen: Ich bin ein absoluter Hardliner in Sachen Flüchtlingspolitik, Zuwanderungskontrolle und Abschiebung. Ich halte einfach nur euren Vorschlag für völlig ungeeignet!

In den ganzen nächsten Abschnitten tue ich mich wirklich schwer. Ihr argumentiert nämlich nicht mit Fakten. Hier ein paar Beispiele:

Jedem anerkannten Asylbewerber folgen durchschnittlich ein bis vier Familienangehörige.

Was ist denn jetzt der Durchschnitt? Einer oder vier oder doch nur 2,2? Gibt es dazu irgendwelche belastbaren Zahlen? Alles, was ich finden konnte, waren Visazahlen, die zu diesem Zweck ausgestellt wurden. Demnach reden wir von 100.000 Familiennachzüglern in 2016. Angesichts der mehr als 1 Mio Flüchtlinge, kann ich eure Durchschnittszahlen nicht so richtig nachvollziehen.

[…] und zwischen 50 % und 80 % derer, die sich als minderjährig ausgeben, sind volljährig.

Also bei eurer Genauigkeit würde ich gerne einmal Gehaltsverhandlungen mit euch führen. “Ich möchte zwischen 5 % und 8 % mehr Gehalt!” “Okay, Du bekommst 5 %!” 😉 Im Ernst: Gerade weil ihr den Anspruch erhebt, die Gesellschaft wachrütteln zu wollen, sollte es selbstverständlich sein, dass ihr zum einen genaue Angaben macht und zum anderen Quellen für diese Behauptungen angebt.

Im siebten Abschnitt eures Programms geht es um Familienpolitik. Ihr seid gegen Abtreibung, für mehr Kinder & das Familienbild von Vater, Mutter & Kind. Abgesehen vom Festhalten am klassischen Familienbild bin ich da bei euch. Jeder Lebensentwurf, der bereit ist Kinder zu adoptieren und aufzuziehen ist zu begrüßen. Stellt das Jugendamt fest, dass zwei erwachsene Menschen geeignet sind, ein Kind zu adoptieren und dass dem Wohl des Kindes keine Gefahr droht, sollten wir dankbar sein für jeden, der bereit ist einem elternlosen Kind ein zu Hause zu geben. Ob diese Eignung vorliegt oder nicht, lässt sich nicht mittels irgendeiner Ideologie für alle mit Ja oder Nein beantworten. Genau dazu bedarf es eben eines Jugendamtes, dass sich der Beantwortung dieser Frage auf einer Fall zu Fall Basis annimmt. Generell aus ideologischen Gründen dies für gleichgeschlechtliche Paare abzulehnen, ist ebenso schwachsinnig, verbohrt und dumm, wie dies bedingungslos zu unterstützen, wie es das andere Ende des politischen Spektrums tut.
Ihr möchtet ein Baby-Begrüßungsgeld in Form von Bargeld oder eines Steuernachlasses. Hört sich super an! Bei dem Steuernachlass habt ihr sofort meine Unterstützung. Bei dem Bargeld bin ich sehr skeptisch. Wenn man das einmal überspitzt, kann man sich schon die Einzelfälle vorstellen, die sich darauf spezialisieren Kinder zu bekommen, um dieses Geld abzugreifen, aber völlig ungeeignet sind, Kinder aufzuziehen. Damit ist niemandem geholfen – insbesondere nicht den Kindern. Ein Steuernachlass führt dazu, dass Eltern entlastet werden, die einen Beitrag zu unserem Sozialsystem leisten. Denen möchte ich prinzipiell eher (nicht immer) unterstellen, dass sie geeignet sind, Kinder auf den gewünschten Pfad zum Rentenzahler der nächsten Generation zu bringen. Der Rest des Abschnitts haut kräftig auf die ganze Gender-Ideologie drauf. Dazu habt ihr meine Unterstützung.

Nur kurz zu einem Absatz über Bildungspolitik, an dem ich mich stoße:

Muslimische Schüler müssen genauso wie alle anderen Schüler auch am Sport- und Schwimmunterricht sowie an Klassenfahrten teilnehmen. Nur so können wir der Herausbildung von Parallelgesellschaften gegensteuern und den Schülern Teilhabechancen eröffnen, damit Integration gelingt.

Wieder habt ihr einen validen Punkt, aber ein schlechtes Argument. Damit ein Kind in einer Schule in Klassengemeinschaften integriert sein kann, ist eine bedingungslose Teilhabe an gemeinschaftlichen Aktivitäten sicherzustellen. Jegliche Sonderwürste, die aus ideologischen oder religiösen Gründen von den Eltern in Schulen hereingetragen werden, sind zu unterbinden. Das hängt nicht an Muslimen. Das Problem ist genereller und Teile der Muslime sind ein Beispiel für die Problematik. Anstatt also platt hier ein Feindbild zu bedienen, wäre es sinnvoll, das Problem umfänglich zu beleuchten und auch genauso umfänglich zu benennen.

Im Kapitel über Kultur schreibt ihr:

Die Nationalsprache ist das Herz einer Kulturnation. Als zentrales Element deutscher Identität will die AfD die deutsche Sprache als Staatssprache im Grundgesetz festschreiben.

Ach Gottchen! Und was genau ändert sich jetzt im täglichen Leben, wenn ihr das im Grundgesetz verankert? Gar nichts! Das ist eine reine Luftpumpe: “Jawoll! Deutsch! Gute Sache!” – ohne einen wirklichen Effekt. Langweilig!

Die AfD sieht mit Sorge, wie die deutsche Sprache in Wissenschaft und Wirtschaft zunehmend durch das Englische ersetzt wird, und will dem mit gezielten Fördermaßnahmen entgegenwirken.

Ihr wisst es wahrscheinlich nicht besser, aber in Zeiten in denen Unternehmen Sitze in der gesamten Welt haben, in denen Mitarbeiter aus der gesamten Welt kommen, hier in gut bezahlten Jobs arbeiten und Steuern zahlen, ist nicht euer Sprachempfinden wichtig, sondern, dass diese Steuerzahler kommunizieren können. Es ist wichtig, dass die Abteilung in Berlin reibungslos mit der Abteilung in San Francisco oder Singapur kommunizieren kann. Es ist wichtig, dass der Software-Entwickler aus Indien mit dem Projektmanager aus Malaysia und dem Systemadministrator aus Russland, sowie dem Datenanalysten aus Italien und dem deutschen Manager kommunizieren kann. Es ist vollständig gleichgültig, in welcher Sprache dies geschieht. Da Deutsch von vergleichsweise wenigen Menschen in der Welt gesprochen wird, Englisch in vielen Teilen der Welt ein Teil der Schulbildung ist, ist es nur natürlich, dass diese Kommunikation auf diesem gemeinsamen Nenner stattfindet. Das sind Realitäten, die nicht schädlich sind, sondern unsere Wirtschaft voranbringen. Das Gleiche gilt für die Forschung: Helle Köpfe auf der ganzen Welt forschen zu gleichen Themen und sollten miteinander kommunizieren. Denn der Kollege aus Chile oder Japan hat vielleicht einen kleinen Teildurchbruch im Gebiet der Krebsforschung erzielt, der zusammen mit weiteren Teildurchbrüchen aus Amerika und Deutschland als großes Ganzes Krebs heilen könnte. Wenn der deutsche Forscher aber nun nicht in der Lage ist, die Arbeit des japanischen Kollegen zu lesen, weil dieser Sie aus falscher nationaler Eitelkeit auf Japanisch verfasst, so wird Krebs eben nicht geheilt. Aber wenigstens hat jeder seine Sprache gesprochen. Was ein Schwachsinn!

Eure Positionen zu Steuern, Finanzen und der Sozialpolitik sind meist klassisch liberal-konservativ – an einigen Stellen mit durchaus linken Noten gespickt. Daran habe ich nicht viel zu kritisieren. Einzig Finanzierungskonzepte für eure Forderungen bleibt ihr an vielen Stellen schuldig. Insgesamt beschleicht mich immer wieder beim Lesen eures Programms das Gefühl, dass ihr für jeden Narren ein passendes Käppchen dabei habt. Das ganze Souveränitätsgeschwafel holt so einen Reichsbürger ab, die Forderung nach “alternativen Methoden”, die von Krankenkassen zu tragen sind, bringt die Hand-Auflegen-Bachblüten-Wunderheilerspinner an Bord. Jetzt noch die von-Däniken-Jünger, die Impfgegner und 9/11-Freunde einsammeln und ihr habt fast das ganze Spektrum der Internetverschwörungen abgegrast 😉 Wenn es denn notwendig ist: von mir aus.

Eure Kritik am EEG und der EnEV ist legitim und richtig. Bei eurer Klimawandelskepsis bin ich widerum skeptisch. Einverstanden: Man kann darüber streiten, ob die aktuell verwendeten Klimamodelle geeignet sind und ob die Bestrebungen des Weltklimarats zielführend sind. Eure Argumente und Folgerungen sind allerdings Schwachsinn. So schreibt ihr:

Das Spurengas Kohlenstoffdioxid (CO2) ist kein Schadstoff, sondern eine unverzichtbare Voraussetzung für alles Leben.

Daraus folgt was? Alles kein Problem? Hausaufgabe: Nehmt mal einen Gefrierbeutel und atmet 5 Minuten nur in und aus dem Beutel. Dann ist euer Beutel voll von der unverzichtbaren Voraussetzung für Leben – CO2 – und euch wird mit Sicherheit schwindelig. Wie bei allem gilt: Die Dosis macht das Gift! Nur weil CO2 in (fast) allen Lebewesen verbaut und auch von ihnen gebraucht wird, ist noch kein Argument gegeben, weshalb eine erhöhte CO2 Konzentration ungefährlich für unser Klima sein sollte. Anstatt nun eine legitime Kritik an aktuellen Klimamodellen damit abzuschliessen, dass man fordert, dass Forschungsgelder in die weitere, präzisere Forschung gesteckt werden, damit wir wirklich objektive Klarheit darüber erhalten, ob oder ob nicht CO2 nun die Wurzel des Problems ist, schreibt ihr:

[…] Deutschland soll aus allen staatlichen und privaten „Klimaschutz“-Organisationen austreten und ihnen jede Unterstützung entziehen.

Das ist kein bisschen konstruktiv, löst kein Problem, sondern verschließt die Augen vor einem Problem: Es wird wärmer, es gibt mehr Unwetter und Gletscher schmelzen. Die Frage, die es zu beantworten gilt ist: Können wir was dagegen unternehmen, oder nicht?! Die Hände vor die Augen zu halten und das Problem zu ignorieren, hilft sicherlich nicht.

Zum Schluss mag ich noch über eure Persönlichkeiten sprechen. Fangen wir mit dem schlimmsten Gesellen an: B. Höcke! Diese Person ist ein absoluter Skandal und völlig ungeeignet zum Politiker. Der Mann hat keinerlei Feingefühl und auch keinen Funken Selbstreflexion an Bord der guten Laune. Er quatscht gefühlt ständig über den zweiten Weltkrieg und dessen Aufarbeitung in der Gesellschaft. Erstens löst das kein einziges Problem, welches in unserer Gesellschaft vorhanden ist, weshalb das Thema zweitens so gut wie keinen Menschen interessiert und drittens auch noch Teile unserer Bevölkerung verstört. Man überwindet einen “Schuldkult” nicht damit, dass man zu viele Göbbels Reden gehört hat und sich dessen Rhetorik und Gestik aneignet. Man überwindet so etwas, indem man darüber steht. Indem man einer jungen Generation vorlebt, dass sie keine Schuldgefühle haben zu brauchen, weil sie vor 70 Jahren nicht gelebt haben. Indem man sich differenziert mit der gesamten deutschen Geschichte auseinandersetzt und Schwerpuntke gleichermaßen auf positiven wie negativen Epochen unserer Geschichte legt. Das tut man nicht, indem man rumschreit und subtile Leugnung betreibt. Das ist einfach nur albern!
Der Gauland ist der zweite Grund, warum ihr unwählbar für mich seid. Der Mann fabriziert am laufenden Meter einfach nur Unsinn auf Stammtischniveau (Zigeunerschnitzel & Negerkuss seien hier mal nur als Beispiele genannt). Das an sich ist gar kein Problem. Kann er gerne tun. Disqualifiziert ihn aber für mich irgendeine verantwortliche Rolle in der Führung eines Landes spielen zu wollen.
Meuthen und Weidel sind zwei Charaktere, die ich in euren Reihen ganz solide finde. Die sind besonnen, ruhig, sachlich und oft mit einer erstaunlichen Weitsicht unterwegs. Auch sieht man sie eigentlich nie sich an dem “Aber die anderen machen doch auch”-Geflenne ergötzen, wie es eine Frau Petry in eigentlich jeder Talkshow tut, wenn sie in die Ecke gedrängt ist. Der Pretzell ist ein noch unbegnadeter Redner als Gauland und Höcke zusammen. Mit seinem pseudo-klug-überheblichen Geschwafel gepaart mit einer kindlich grinsenden Arroganz kann ich nichts anfangen.

Unterm Strich seid ihr mir als Partei noch nicht erwachsen genug. Ihr habt einige gute und berechtigte Punkte im Programm, ihr habt größtenteils die falschen Leute in Spitzenpositionen sitzen und ihr habt euch an vielen Stellen noch nicht selbst gefunden, was die Fischerei nach Stimmen an allen kleinen Kriegsschauplätzen (z.B. alternative Medizin) und komischen Gesinnungen betrifft. Ihr habt eine Daseinsberechtigung, weil es im liberal-konservativen Spektrum nichts anderes gibt. Ihr tätet nur sehr gut daran, wenn ihr die unfähigen Personen entsorgtet und euch von dem ganzen rückwärtsgewandten (Achtung Übertreibung) “Aber, wir müssen nochmal über den Holocaust reden, wir haben ja gar keine Schuld”-Geblubber und dem “Der Volkssouverän”-Geschmiere lossagen würdet und euch stattdessen darauf besinnen würdet Themen zu besetzen, die VOR uns liegen und nicht hinter uns.

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