Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und der Populismus rundherum.

(Soziale) Gerechtigkeit ist nun also das große Label der SPD zum Bundestagswahlkampf. Wie überraschend. Als wäre das nicht schon fast immer ihr Thema gewesen.

Lasst uns anpacken und unser Land gerechter machen.
Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat

oder:

Es geht in diesem Land nicht gerecht zu.
Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat

Nach dem Bekanntwerden der kleineren und größeren Lügen des M. Schulz bezüglich seiner Bonusgelder als EU-Politiker, änderte sich das Label von “sozialer Gerechtigkeit” zu “Gerechtigkeit”, jedoch hat sich an den inhaltlichen Aussagen nichts geändert. Man könnte nun sagen: Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, das ist doch alles das Gleiche. Hauptsache gerecht!

Könnte man. Jedoch bedeuten diese Begrifflichkeiten völlig unterschiedliche Dinge – dazu später mehr. Der Grund warum sich dieses Label so gut für den Wahlkampf eignet, ist simpel: Populismus! Populismus ist nicht, wie uns gerne am Beispiel der oft genannten “rechtspopulistischen AfD” suggeriert wird, irgendeine politische Ideologie. Populismus ist ein Instrument der Kommunikation, eine politische Strategie. Es geht bei dieser Strategie darum, Wähler vermöge ihrer Gefühle zu vereinnahmen und nicht mittels Fakten. Diese Gefühlsebene wird ausgenutzt, um Menschen mit einfachen Antworten zu komplizierten Fragestellungen davon zu überzeugen, dass man als Politiker mit eben diesen einfachen Antworten die Probleme dieser unangenehmen Gefühlswelt löst. Diese politische Strategie ist durchaus erfolgreich, wie man in den USA  sehen kann.

Warum nun ist aber (soziale) Gerechtigkeit eine populistische Forderung? Ich sage immer über die Deutschen: Egal wen Du in Deutschland fragst, er arbeitet immer zu viel (und gefühlt härter und mehr als andere) und er verdient zu wenig Geld für seine harte Arbeit. Das stimmt natürlich nicht in der vollen Breite der Aussage, aber ein wahrer Kern über den Nörgler-Deutschen ist darin enthalten. Stell Dir einmal selbst die Frage: “Fühlst Du Dich von der Welt gerecht behandelt?”
Fast jeder wird individuell für sich irgendeinen Bereich in seinem Leben finden, in welchem er sich benachteiligt fühlte oder fühlt. Zum Beispiel: “Die Ex-SPD-Ministerin im VW Vorstand kriegt für 12 Monate Arbeit eine millionenschwere Abfindung!”, “Mein Kollege arbeitet schlechter als ich, verdient aber mehr Geld!”, “Meine Miete ist viel zu teuer!”, “Der hat den Job doch nur bekommen, weil er ein Mann ist!”, “Die hat den Job doch nur bekommen, weil da bestimmt was mit dem Chef läuft!”, “Ich kann mir nicht 2 mal die Woche ein dickes Steak leisten, wie der da!”, “Ich habe mein Studium schlecht abgeschlossen, weil ich neben der Uni arbeiten musste!”, “Der Chef des Chefs meines Chefs verdient 120 Mal so viel, wie ich. Was tut der eigentlich?”, …
Und genau darin liegt das Populistische: Jeder kann sich bei dem Thema Gerechtigkeit irgendwo mit seiner individuellen Sorge emotional abgeholt fühlen und es wird ihm eine einfache Pseudo-Antwort geliefert: “Wir geben Dir mehr Gerechtigkeit!” Selbst diejenigen, die sich nicht ungerecht behandelt fühlen, werden noch mit dem indirekten Appell an ihren Sinn für Empathie emotional überrumpelt. Die implizite Annahme bei der Forderung nach mehr Gerechtigkeit im Land ist, dass es prinzipiell ungerecht in diesem Land zugeht. Und Du wirst jawohl nicht wollen, dass Deine Mitmenschen ungerecht behandelt werden, oder?!

Was ist (soziale) Gerechtigkeit?

Hier gelangen wir jetzt in sehr schwammiges Terrain. Es gibt fast unzählige Definitionen von Gerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit. Ihr könnt eine handvoll selbst auf Wikipedia nachschlagen. Es gibt ganze Forschungsbereiche in der Volkswirtschaftslehre und der Mathematik, die einzig deshalb bestehen, weil man sich uneins darüber ist, was fair oder gerecht bedeuten soll (für den interessierten Leser gebe ich einmal das Stichwort: kooperative Spieltheorie). Um es komplizierter zu machen, gebe ich euch die Definitionen, die ich für gut halte und verwende.
Gerechtigkeit in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben ist für mich die Idee, dass jeder deutsche Staatsbürger bei gleichem Einsatz (von Geld, Zeit, Arbeit, Hirnleistung, …), identische Ergebnisse erzielen kann, wie jeder andere. Die Grundidee dabei ist, dass niemand an irgendetwas anderem (Rasse, Herkunft, Religion, Weltanschauung, Geschlecht), als an seiner eingebrachten Leistung gemessen werden sollte. Und wahrscheinlich wird jeder zustimmen können, dass dies eine halbwegs vernünftige Idee von Gerechtigkeit ist. Wichtig dabei ist, dass Gerechtigkeit NICHT die unbedingte Gleichheit von Resultaten ist! Wenn ich weniger Einsatz bringe, als Du, sollte ich nicht erwarten können, dass ich das gleiche Ergebnis erziele, wie Du es tust.

Der Begriff soziale Gerechtigkeit ist noch vielschichtiger und umstrittener, als der der Gerechtigkeit. Ursprünglich wurde in Deutschland darunter das Konzept der sozialen Marktwirtschaft verstanden und in unserem Grundgesetz verankert. Grob kann man sich darunter die folgende Idee vorstellen: Wir lassen niemanden verhungern, geben jedem Zugang zur Gesundheitsfürsorge, ein Dach über dem Kopf und ein Mindestmaß an Teilhabe am sozialen Leben, wenn er unverschuldet in eine Notlage gerät, in welcher er diese Dinge nicht selbst gewährleisten kann.
Die Art und Weise, wie dieser Begriff heutzutage in der Politik benutzt wird, ist jedoch anders. Dort geht es nun vornehmlich nicht um soziale Gerechtigkeit, sondern um soziale Gleichheit. Es geht um die Einkommensverteilung in der Gesellschaft, um Vermögensverteilung, um die Verteilung von Bildung, um den Gender Pay Gap, Frauenquoten und vieles mehr. Kurz gesagt: Es geht um Gerechtigkeit zwischen sozialen Gruppen. Das heißt: Dein zu erzielendes Ergebnis hängt nicht nur von Deinem Einsatz ab, sondern von Deiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.

Frauenquoten verdeutlichen sehr gut, wie soziale Gerechtigkeit nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat: Egal wie sehr Du Dich anstrengst, wie gut Du Dein Studium abgeschlossen hast, wie viele Praktika Du absolviert hast, Du bekommst den Job unter Umständen nicht, weil Du nicht zur Gruppe “Frauen” gehörst. Die Idee hinter dem heutigen Verständnis von sozialer Gerechtigkeit ist, dass gleiche Ergebnisse zwischen sozialen Gruppen zu erzielen sind. Das heißt, es wird als ungerecht verstanden, wenn es 50 % Frauen in der Gesellschaft gibt, aber nicht 50 %  Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen. Was sich zunächst anhören mag, als würde es obiger Definition von Gerechtigkeit entsprechen, tut dies in Wahrheit nicht. Dies wäre nur richtig, wenn im Mittel beide soziale Gruppen den selben Einsatz (Ausbildung, Zeit, Ehrgeiz,…) bringen, um das Ergebnis “Aufsichtsrat oder Vorstand werden” zu erreichen. Tatsächlich wird man aber kaum zwei verschiedene soziale Gruppen finden, die im Mittel den gleichen Einsatz bringen. Weshalb nach obigem Gerechtigkeitsverständis auch nicht dieselben Ergebnisse zu erwarten sind. Deshalb hat soziale Gerechtigkeit im heutigen Verständnis nicht sonderlich viel mit Gerechtigkeit zu tun und kann sogar in hohem Maße ungerecht sein.

Es geht bei Gerechtigkeit um 3 Dinge:

  1. Deine Voraussetzungen den Einsatz zu bringen
  2. Den Einsatz, den Du bringst.
  3. Das Ergebnis, welches Du erzielst.

Ein Beispiel: Um eine 1 in einer Prüfung zu bekommen, musst Du 95% der gestellten Aufgaben korrekt bearbeitet haben. Um dies zu erreichen, musst Du den zugrunde liegenden Stoff ausreichend gelernt haben, so dass Du am Prüfungstag die richtigen Antworten weißt. Beantwortest du dann 95% richtig, wirst Du Deine 1 bekommen. Für den einen mag das Lernen des Stoffs leicht sein, weil es ihm liegt, oder weil er besonders gut im Unterricht aufgepasst hat, oder vielleicht, weil seine Eltern ihm schon früh geholfen haben, das Thema zu seinem Hobby zu machen. Für einen anderen braucht es vielleicht vier Mal soviel Zeit, den nötigen Stoff zu lernen. Für einen dritten ist es nicht mehr möglich, den Stoff zu lernen, weil er vielleicht im Schuljahr zuvor gepennt hat, dadurch zu große Lücken, als dass diese bis zur Prüfung noch von ihm zu schließen wären. Die ersten beiden bringen den Einsatz “Ich habe den Stoff ausreichend gut gelernt” unter verschiedenen Voraussetzungen und erhalten beide ihre 1. Der dritte bringt diesen Einsatz (z.B. aufgrund seiner früheren Entscheidungen) nicht und erhält auch keine 1. Das ist gerecht. Bringst Du alles, was nötig ist, so erzielst Du das gewünschte Ergebnis. Der Dritte im Beispiel könnte nun sagen, dass die Beurteilung ungerecht sei, weil er ebenso viel Zeit mit Lernen für die Prüfung verbracht hat, wie der Zweite. Die Anforderung für die Prüfung ist aber nicht der Einsatz von X Stunden Lernaufwand, sondern der Einsatz von “ausreichend Wissen um den Stoff”. Wie gesehen, kann es bedeuten, dass je nach persönlicher Voraussetzung des Einzelnen, stark variiert, wie viel Lernaufwand zum Bringen dieses Einsatzes erforderlich ist. Dennoch ist es eine gerechte Beurteilung.

Die Voraussetzungen lassen sich sogar noch auf die Spitze treiben: Selbst wenn ich alle Anstrengungen unternommen hätte, die ein Lukas Podolski in seinem Leben unternommen hat, um mit der Fußball-Nationalmannschaft Weltmeister zu werden, wäre ich niemals in die Fußballnationalmannschaft gekommen. Mir würden dafür einfach einige genetische Voraussetzungen fehlen, um ein Spitzensportler zu sein. Ist das deshalb ungerecht? Nein. Das ist das Leben. Menschen bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit und haben es unterschiedlich schwer, gewisse Resultate zu erzielen. Das Erreichen mancher Resultate ist manchmal sogar einigen gänzlich verwehrt bedingt durch deren Voraussetzungen.

Es gibt also keine Ungerechtigkeit in Deutschland?

Falsch. Natürlich gibt es Ungerechtigkeit auch in Deutschland. Klar wird es vereinzelt fehlgeleitete Menschen geben, die andere Menschen ungerecht behandeln. Natürlich fühlt es sich für uns ungerecht an, wenn eine Firma schließen muss und ein Arbeiter nach 30 Jahren Firmenzugehörigkeit auf einmal vor der Arbeitslosigkeit steht. Dies sind individuelle Ungerechtigkeiten. Für den ersten Fall gibt der Gesetzgeber der Gesellschaft ganze Gesetzesbücher an die Hand, die diese Form von individueller Ungerechtigkeit beheben & bestrafen sollen. Für den zweiten Fall gibt es das soziale Netz, welches den Menschen davor bewahrt zu verhungern oder obdachlos zu werden und ihm die Möglichkeit gibt, sich zu sortieren, umzuorientieren, sich noch einmal den Arsch aufzureißen und irgendwo anders neu anzufangen. Das ist gut, sozial und gerecht.

Das falsche an der Debatte über (soziale) Gerechtigkeit in Deutschland heutzutage ist, dass es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Verantwortung geht. Jeder Mensch in Deutschland trägt Verantwortung für zwei wesentliche Dinge:

  1. Seine eigenen Entscheidungen und Handlungen.
  2. Dafür zu sorgen, dass seine Kinder gute Entscheidungen treffen und sinnvoll handeln.

Und in beiden Fällen trägt jeder Mensch Verantwortung für die Konsequenzen, die sich aus 1. und 2. ergeben. Jeder hat die Freiheit in seinem Leben gute und schlechte Entscheidungen zu treffen. Jeder hat die Freiheit seinen Kindern beizubringen, was gute und was schlechte Entscheidungen sind und sie aus den eigenen Fehlern lernen zu lassen.
Die heutige Debatte um soziale Gerechtigkeit setzt genau bei der Negierung dieser Verantwortung an. Du bist nicht verantwortlich dafür, dass Du einen Job nicht bekommst. Es ist die systematische ungerechte Behandlung Deiner sozialen Gruppe, die der Grund für Dein Ergebnis (im obigen Sinne) ist. Du kannst nichts dafür, dass Du nicht studieren gehst, das liegt daran, dass Deine Eltern zu wenig Geld haben. Du trägst keine Verantwortung dafür, dass Du wenig Geld hast. Die Verantwortung trägt die Gesellschaft, die Reiche immer Reicher werden lässt. Diese Debatte gesteht Menschen einen Opferstatus zu, der sie davon abhält, selbst etwas an dieser Situation zu ändern.

Das ist komfortabel, bequem und gefährlich. Ich behaupte, dass es keine systemische oder institutionelle Ungerechtigkeit in Deutschland gibt. Es gibt keine systemische Ungerechtigkeit gegenüber Frauen. Es gibt keinen institutionellen Rassismus. Es gibt im Bildungssystem keine systemische Benachteiligung von Kindern von nicht-studierten Eltern. Es gibt keinen gesamtgesellschaftlichen Grund, der einen Menschen davon abhält, erfolgreich zu sein.

Unabhängig von Rasse, Religion, Weltanschauung, Geschlecht oder sexueller Orientierung können alle Eltern in Deutschland ihren Kindern Bildung als wichtigen Wert vermitteln. Eltern können ihre Kinder dazu animieren sehr gute Leistungen in der Schule zu erbringen, studieren zu gehen oder sich selbstständig zu machen. Eltern können ihren Kindern einen vernünftigen Umgang mit Geld beibringen und ihnen beibringen, wie man Geld vermehrt. Sie können ihren Kindern beibringen, was der Unterschied zwischen Konsum- und Investitionsschulden ist, warum ersteres schlecht und das zweite vorteilhaft sein kann. Sie können erklären, welche Entscheidungen sie in ihrem Leben falsch getroffen haben und wie man es besser macht. Sie können erklären, wie es in der eigenen Verantwortung liegt, dass man als Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt attraktiv ist und mit der Zeit geht, seinen skill set erweitert und niemals aufhört, zu lernen. Sie können ihren Kindern erklären, wie man Eigentum aufbaut und warum Eigentum eine gute Sache ist.

Die Verantwortung dafür, dass meine Kinder all dies von mir mit auf den Weg kriegen, liegt nicht bei Dir, oder “der Gesellschaft” oder irgendjemandem, der “mehr hat” als ich. Diese Verantwortung liegt bei meiner Frau und mir! Der Grund warum ich einen guten Job nach dem Studium hatte, war: Ich habe mich für ein gefragtes Studienfach entschieden und darin gute Leistungen erbracht. Danach habe ich in einer Firma gearbeitet und weiterhin überdurchschnittliche Leistungen gebracht. Aus keinem anderen Grund.

Wir leben in einer kapitalistischen Welt innerhalb einer sozialen Marktwirtschaft. Das äußerst sympathische am Kapitalismus ist, dass er sich einzig und alleine für zwei Sachen interessiert: Geld und mehr Geld. Der Grund weshalb das sympathisch ist, ist der folgende: Geld hat kein Geschlecht, keine Hautfarbe, keine Ethnie, keinen Ausweis, keine sexuelle Orientierung. Du bekommst einen Job, weil Du am besten dafür qualifiziert bist und Dein Arbeitgeber erwartet, mit Dir mehr Geld zu verdienen, als er es mit all den anderen Kandidaten kann. Es ist also in Deiner Verantwortung attraktiv für einen Arbeitgeber zu sein, wenn Du bei ihm einen Job haben willst.
Wenn Du Gender Studies oder musischen Tanz studiert hast und Dich danach wunderst, warum Du nicht im Aufsichtsrat von VW sitzt, oder warum Du nicht bei der Boston Consulting Group oder E & Y genommen wirst, hast Du diese Verantwortung nicht verstanden! Wenn Du Dich in Deiner Lehre nicht angestrengt hast und schlechte Zensuren hast, dann darfst Du Dich nicht wundern, dass Dich kein Arbeitgeber einstellen möchte oder dass dir jemand weniger Geld bezahlen möchte, als dem Kollegen, der nur gute Zensuren hat. Was auch immer Deine Situation ist, es waren Deine Entscheidungen und die Entscheidungen Deiner Eltern und die Verantwortung für diese Entscheidungen, die Dich dahin gebracht haben, wo Du jetzt gerade bist. Das können gute und auch schlechte Entscheidungen gewesen sein.

Selbst wenn Deine Eltern für Dich die falschen Entscheidungen getroffen haben, hast Du unzählige Möglichkeiten als junger Erwachsener (z.B. auf dem zweiten Bildungsweg) bessere Entscheidungen zu treffen.

Das heißt Armut ist nicht sozial ungerecht und sogar selbst verschuldet?

Jein. Armut ist nicht sozial ungerecht. Dem stimme ich zu. Denn keine Gruppe dieser Gesellschaft hält Dich arm oder hält Dich aktiv davon ab, reicher zu werden. Selbst verschuldet ist Armut nicht immer. Wie in dem fiktiven Beispiel des Arbeiters, dessen Firma nach 30 Jahren pleite gemacht hat. Für den Umstand kann er sicherlich nicht direkt etwas. Darum ist es gut, dass er von dem sozialen Netz aufgefangen wird und jetzt in der Verantwortung ist, einen anderen Job zu finden. Es ist seine Verantwortung sich auch ggf. zu verändern und weiterzuentwickeln und dieser drohenden Armut zu entgehen. Findet er keine Firma, die ihn anstellt, muss er zusehen, dass er eine kleine Selbstständigkeit aufbaut oder etwas völlig anderes macht. Meine Mutter hat nach knapp 30+ Jahren als Krankenschwester umgesattelt und einen Bürojob angetreten. War das ihr großer Wunsch? Nein. Es war eine Notwendigkeit in dieser Situation eine Entscheidung zu treffen. Natürlich ist es schwer, sich nach 30 Jahren in einem Beruf zu verändern. Wäre es schöner, wenn man sich nicht verändern müsste? Aber sicher! Dennoch ist es NUR in Deiner Verantwortung, Dein Leben zu meistern!

Es gibt also unverschuldete Armut, aber es gibt keinen Grund – außer Dich und Deine Entscheidungen, die Du ab jetzt triffst – dass Du in dieser unverschuldeten Armut stecken bleibst. Dementsprechend gibt es auch keine Entschuldigung.

Wir haben Armut in Deutschland. Wir haben sogar das Problem, dass Kinder aus ärmeren Familien weniger wahrscheinlich studieren gehen, als Kinder aus wohlhabenderen Familien. Die Gründe für Armut sind sehr häufig das Treffen von schlechten Entscheidungen. Dieses Problem löst man nicht mit einer Reichtumsumverteilung, denn nur weil wir einem der Aldi-Brüder sein Geld wegnehmen und es auf Menschen verteilen, treffen diese Menschen keine besseren Entscheidungen. Sie lernen auch nicht gute finanzielle Entscheidungen zu treffen. Sie treffen weiterhin schlechte Entscheidungen und bleiben arm. Karl Albrecht wird dann auch zukünftig wahrscheinlich gute Entscheidungen treffen und wieder reich werden. Erreicht haben wir dann, dass jemand sehr erfolgreiches in unserer Gesellschaft weniger reich ist, der arme Mensch aber noch immer arm. Da steckt der Populismus: Dir wird versprochen, dass Du mehr Geld hast, wenn Karl Albrecht weniger hat. Es ist eine emotionale Lüge. Anstatt Menschen, die reich sind, weniger reich zu machen, sollte sich Politik die Frage stellen: was können wir tun, damit arme Menschen anfangen bessere Entscheidungen zu treffen und sich selbst aus der Armut zu befreien?

Ich habe einen ganz einfachen Vorschlag, der das Problem binnen einer Generation deutlich verkleinern wird: Wir bringen es unseren Kindern bei! Wir brauchen ein Schulfach “Lebensentscheidungen”, wo Kindern, die es zu Hause nicht beigebracht kriegen, erklärt wird, wie man gute Entscheidungen im Leben trifft und was schlechte Entscheidungen im Leben sind. Wo Konsequenzen dieser Entscheidungen aufgezeigt werden. Warum ist es eine bescheuerte Idee, bevor man fest im Leben steht mit 17 Jahren ein Kind zu kriegen? Wie gehe ich mit Geld um? Warum sind Konsum-Ratenkredite für den neuen Fernseher oder das Auto bescheuert? Wie gehe ich mit einer Kreditkarte richtig um, was ist die Dispo-Falle? Wie lege ich auch kleines Geld beiseite und vernünftig an und wie entsteht mehr daraus? Wie kann man Geld investieren? Welche Berufe werden in 5 oder 10 Jahren gefragt sein, welche Berufe werden eher verschwinden? Wie sorge ich für mein Alter vor? Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es? Wie gehe ich einen Branchenwechsel an? Wie baue ich Eigentum auf, wie hole ich mir ein paar hundert EURO von der Steuer zurück indem ich eine Steuererklärung mache und Freibeträge ausnutze? Wieso kann ich nicht mehr Geld ausgeben, als ich habe? Was ist der Unterschied zwischen einem Selbstständigen und einem Unternehmer?
All diese Fragen werden unseren Kindern im Moment entweder von ihren Eltern vermittelt und beantwortet, oder sie bekommen keine Antwort! Eltern die selbst keine Antwort auf diese Fragen haben, können diese natürlich auch nicht beantworten. Und genau dort muss angesetzt werden. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe!

Wenn wir anfangen einer ganzen Generation von Kindern beizubringen, gute Entscheidungen zu treffen, Verantwortung für diese Entscheidungen, sich selbst, für ihre eigenen Kinder, für ihre Eltern zu übernehmen, dann haben wir innerhalb von nur einer Generation einen großen Teil des Armutsproblems gelöst. Eine populistische Debatte über soziale Gerechtigkeit löst dieses Problem leider noch nicht einmal im Ansatz, sie ist einzig und alleine dazu da, Stimmenfang für Politiker zu betreiben, deren Horizont genau bis zur nächsten Wahl reicht. Was sind eure Gedanken zum Thema? Schreibt es mir gerne in die Kommentare.

1 thought on “Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und der Populismus rundherum.”

  1. Sehr gelungen finde ich die Analyse des Begriffs Populismus. Es ist auch aus meiner Sicht immer wieder wichtig den politischen Alltag in einer digitalisierten Mediendemokratie anzuhalten, und einen Blick auf die beteiligten Protagonist*innen zu werfen. Dadurch, dass du rechte Parteien und die SPD aufzeigst passiert aber zweierlei:

    1. Es wird unterschlagen, dass sich eigentlich alle Parteien diesen politischen Stilmittels bedienen.

    2. Es kann der Eindruck entstehen, da du eine liberale Partei in Deutschland nicht erwähnst und dass dein Beitrag u.a. dadurch ebenfalls populistische Züge (hin auf ein Ziel), da auch du nur verengte Theoriebezüge (Theorie der rationalen Entscheidung und Spieltheorie) z.B. zur sozialen Gerechtigkeit (später mehr dazu) präsentierst. Gut finde ich deine praktischen Beispiele (gut für jeden nachzuvollziehen) und das Aufzeigen, dass eine Diskussion des Begriffs Gerechtigkeit sehr schwierig ist weil es auch so komplexe Unterteilungen gibt. Eine schöne Einführung!

    Dann aber nur zwei sehr theoretische (quasi black box) Beispiele zu bringen ist dann wiederum selbst viel zu minimalistisch. Oder?

    Noch mal kurz zum Polonismus: Ein Satz des ehemaligen FDP Politikers Guido Westerwelle spricht in diesem Zusammenhang eine deutliche Sprache: Er regte sich über die “spätrömische Dekadenz” auf, welche er bei sozialleistungsberechtigten Menschen in Deutschland wahrgenommen haben will.

    Die CDU hat in den letzten Jahren das populistische Band fast zerrissen: Ich erinnere nur an die populistischen und gesellschaftsspaltenden Aussagen vor allem von CSU Politiker*innen zum Kontext der Herausforderungen der globalen Migration die 2016 numehr auch Länder wie Deutschland als Binnenland (bezogen auf südliche Migrationsbewegungen) betraf.

    Aber direkt zurück zu deiner weiter gelungenen Abgrenzung der Begriffe, die bei einer Gerechtigkeitsannäherung und Definition auftauchen (Aristoteles: es gibt mehrere Gerechtigkeiten), denn mehr kann es grundsätzlich nie sein: Eine absolute Gerechtigkeit wird es niemals geben, die Zeiten der göttlichen Gerechtigkeit sind weitestgehend vorbei. Aber du verweist ja auch darauf, dass du hauptsächlich auf die Soziale Gerechtigkeit aus bist. Diese entstand übrigens sehr spät, also in der sehr jungen Geschichte der Menschheit. Sozial bedeutet dabei lediglich, dass es um etwas gesellschaftliches geht, deshalb ist die Abgrenzung oder Autonomie zur politischen Gerechtigkeit auch schwierig. Aber ja, es gab immer wieder Diskussionen über ein zu viel an Staat (vgl. Nachtwächterstaat) Nun zu einigen Fragezeichen meinerseits: “Egal wen Du in Deutschland fragst, er arbeitet zu viel, verdiene zu wenig(…)” Bleibt eine subjektive Aussage. “Gerechtigkeit in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben ist für mich die Idee, dass jeder deutsche Staatsbürger bei gleichem Einsatz (von Geld, Zeit, Arbeit, Hirnleistung, …), identische Ergebnisse erzielen kann, wie jeder andere”. Blendet wie du selbst andeutest zu viele Faktoren aus (Psychologie, Soziologie, Kooperationsmodell (Platon). Besonders interessant finde ich die Unterstellung, dass alle Menschen gleich seien. Selbst wenn alle die gleiche Erziehung, identische Voraussetzungen (Förderung, Teilhabe, Schulbildung und Erziehung zur “rationalen Entscheidung” (die du später einführst), kämen unterschiedliche Leistungen dabei heraus. Auch wenn deine Annahme eine wertschätzende Annahme ist geht sie an der Vielfalt des Menschseins vorbei. Unterschiedliche psychische Konstitutionen, Biorhythmus und so vieles mehr lassen die Leistung an einem gemessenen Tag sehr unterschiedlich ausfallen. Die Erforschung der Intelligenz steht immer noch am Anfang. Welche Faktoren dabei förderlich sind und welche nicht ist nicht abschließend geklärt. Außerdem geht diese These an Neurologie, Psychiatrie/Psychologie und Biologie etc. komplett vorbei. Eigentlich wird den Sozis ja immer “Gleichmacherrei” vorgeworfen?! Als Grundlage führst du insgesamt nur die kooperative Spieltheorie als deine Aussagen stützende Theorie ein. In Wirklichkeit arbeiten viele Gerechtigkeitstheorien zusammen. So ist zumindest meine Wahrnehmung. Auch in politischen Entscheidungsprozessen. Egal ob bei politischer Gerechtigkeit (Kooperationsmodell, Konfliktmodell, Gerechtigkeit als Fairness (Rawls ist sehr bedeutend für liberalen Rechtsstaat) Sozialer Gerechtigkeit, oder individueller Gerechtigkeit.

    Meine eigene Kernthese. Das Individuum, welches ich auch als sehr kompetent und als mündigen Vertreter der eigenen Bedürfnisse und Wahrnehmung erachte (zu rationalen Entscheidung fähig etc.) und “Profi seiner eigenen Lebenswelt” ist, kommt aber auch meiner Ansicht nach an “gewisse Grenzen”. Viele Sachverhalte sind sehr komplex und interdependent. Die Folgen der im eigenen “System” getroffen Entscheidung sind subjektiv vielleicht ausreichend ab- und ausgewogen. Die Folgen sind aber auch durch die vorgeschalteten Institutionen & Systeme oft verschleiert und intransparent. Und die Folgen können das Kollektiv betreffen. Und die Folgen von Entscheidungen können durch die Interdependenz von Ökonomie und Ökologie nur unzureichend berücksichtigt werden. Und wer, wenn nicht der Staat (unter maximal möglicher Bürgerbeteiligung), kann einen Gesellschaftsvertrag entwickeln, der “Grenzen des Wachstums (Ressourcen)” (Ja, ganz schön alt und öko) nachhaltig gewährleistet.

    Viele Grüße

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