Warum ich Euch nicht wählen kann – Teil 1: Die Linke

 

Dies ist nun der erste Teil meiner Reihe “Warum ich euch nicht wählen kann”. Wer noch nicht weiß, was das alles soll, kann hier lesen, was es damit auf sich hat. Es ist mal wieder etwas länger geworden, Sorry 😉

Liebe Die Linke,

ich bin ein bekennender Fan von Sahra Wagenknecht. Ein fast so großer Fan, wie ich es einst von Gysi war. Eine sehr gebildete und authentische Frau. Eine überzeugende Rednerin – nebenbei: ich definiere einen Redner als überzeugend, wenn er eine Rede entgegen meinen Überzeugungen hält und ich beim Zuhören ins zustimmende Kopfnicken verfalle und erst bei späterem Nachdenken über das Gesagte, Kritikpunkte finde. Frau Wagenknecht ist analytisch überragend und versteht sehr gut, wo die Probleme im Land liegen. Einzig mit ihren Lösungsansätzen stimme ich meist nicht überein. Leider ist Frau Wagenknecht auch die einzige aktive Person in der Partei Die Linke, die ich positiv wahrnehme und die mich als Person überzeugt. Und mal im Ernst: Ich habe fast alle Aschermittwochsreden dieses Jahr gesehen und die von der Frau Kipping war mit Abstand die gruseligste. So ein Gequake und unsicheres, monotones Geweine. Schlimm.

Ich habe mir euren ersten Entwurf eines Wahlprogramms zur Bundestagswahl durchgelesen. Alle 71 Seiten. Das erste, was mir gehörig auf die Eier geht, ist diese Feindbildschaffung schon im ersten Satz der Einleitung “Es liegt an uns allen. Wollen wir den oberen Zehntausend in diesem Land mehr Macht und Einfluss geben und die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertiefen?”. Es geht konstant um “Gleichheit”, um die bösen “Reichen”, die dem Durchschnittsbürger die Butter vom Brot wegnehmen. Darum müsse man dem Reichen halt auch was wegnehmen. Was mich daran stört ist, dass der Eindruck erweckt wird, ein externer Feind ist Schuld an meiner Lage. Ich kann nichts für meine Lage, “der da” ist Schuld! Selbstredend ist das komfortabel. Es ist immer komfortabel, wenn jemand anderes an meiner Misere Schuld trägt und nicht ich. Dann bin ich nämlich auch nicht dazu gezwungen, mich mit meinen eigenen Fehlentscheidungen im Leben auseinanderzusetzen, denn: ich hab ja alles richtig gemacht, nur hat “der da” mir alles versaut. “Weil der da viel hat, habe ich wenig!” und so weiter… . Opferrollen sind bequem, sie verkaufen sich gut als einfache Antwort auf unbequeme Fragen.

Meine Fragen dazu sind: Wird irgendwelchen Eltern in diesem Land verwehrt, ihr Kind dahingehend zu erziehen, dass es Bildung als wichtiges Gut ansieht? Wird irgendeinem jungen Erwachsenen verwehrt, sich den Arsch aufzureißen und ggf. auf dem zweiten Bildungsweg Abitur zu machen? Wird irgendjemandem verwehrt, seinen Berufsweg reflektiert anzugehen, sich berufliche Ziele zu setzen, einen Plan für sich selbst zu entwickeln, wie er diese Ziele erreicht, sich überdurchschnittlich anzustrengen, wenn er überdurchschnittliche Ergebnisse erreichen will?

Klar sind all diese Dinge unterschiedlich schwer für verschiedene Menschen. Klar gibt es Fälle, die einmal durch das Raster fallen. Aber insgesamt kann jeder junge Mensch in diesem Land alles erreichen, was er sich vornimmt und wofür er bereit ist den nötigen Aufwand zu treiben. Haben es einige leichter als andere? Natürlich! Ist das schlimm? Absolut nicht!
Und ja: Es ist schwerer für ein Kind einer alleinerziehenden Krankenschwester zu studieren, gar zu promovieren und später vielleicht eine Führungsposition in einer Firma zu bekleiden, als es das für das Kind eines Professoren-Ehepaars ist. Aber es ist nicht schlimm, dass es schwerer ist, solange unsere Gesellschaft keinem Kind sagt: “Du darfst nicht studieren, WEIL Deine Eltern nicht studiert haben!”. Schwierigkeiten formen Persönlichkeiten und lassen einen Menschen wachsen. Woher ich das weiß, liebe Die Linke? Ich bin dieses Kind der alleinerziehenden Krankenschwester und ich weiß, was es heißt, wenn einige Dinge schwerer im Leben sind, als es diese Dinge für andere Kinder sind. Ich weiß aber um so mehr, wie viel es einem gibt, wenn man härter für etwas arbeiten musste, als jemand anderes und es trotzdem geschafft hat. Man lernt etwas, was Kinder mit goldenem Löffel im Po nie lernen mussten: Biss! Ich glaube deshalb auch an das Prinzip, dass man etwas tun muss, um etwas zu bekommen. Dies gilt auch beim Thema Grundeinkommen. Ich möchte nicht, dass jemand, der in der Lage ist, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen, dies nicht tun muss, sondern jemand anderen dafür aufkommen lässt. Ich sehe viele Dinge, die man sinnvoller von Steuergeldern bezahlen könnte und sollte, als ein garantiertes Grundeinkommen.

Eine wesentliche Sache vergesst ihr gerne, wenn ihr über gesellschaftliche Gleichheit redet: Gleichheit ist nicht das Recht auf identische Resultate bei gleichem Einsatz, sondern die gleiche Freiheit dieselben Ergebnisse erzielen zu können. Anstatt Menschen Opferrollen zuzuweisen und ihnen zu sagen, dass Sie überhaupt nichts für ihre Lebenssituation können, sollte Politik Menschen dazu animieren in dieser Gesellschaft etwas zu leisten und etwas aus sich zu machen.

Ich stimme mit euch überein, dass kein Mensch im Alter in Armut leben sollte und dass niemand im Alter Pfandflaschen sammeln sollte, um zu überleben. Ihr sprecht bei der Rente (und auch bei anderen Sozialversicherungen) vom Aufheben der Beitragsbemessungsgrenze. Ihr sagt leider nicht explizit, weshalb ihr das wollt. Darum bin ich gezwungen zu raten: Ich vermute mal, jemand der sein Leben lang 10.000 EUR+ pro Monat brutto verdient hat, soll dann nicht 5 x so viel Rente bekommen, wie jemand, der 2.000 EUR verdiente? Also vermute ich mal weiter, dass ihr die Deckelung der Auszahlungen von Sozialversicherungen behalten wollt und nur die Einzahlungen ungedeckelt haben möchtet. Tut mir Leid, da kommt mein Gerechtigkeitssinn nicht hinterher.
Ihr möchtet die Benachteiligung der Ost-Renten beenden. Einverstanden. Möchte ich auch. Allerdings anders, als ihr euch das vorstellt. Anstatt einfach alle Renten bundesweit gleich zu machen, sollte man die Lebensrealität von Rentnern berücksichtigen. Die Lebenshaltungskosten sind sehr unterschiedlich im Land. Das fängt bei Mieten an und reicht bis zum belegten Brötchen beim Bäcker. Sollte ein alter Mensch, der im Schnitt in seiner Stadt 4,5 EUR pro Quadratmeter Kaltmiete bezahlt, dieselbe Rente zur Verfügung haben, wie jemand der durchschnittlich 9 EUR pro Quadratmeter Kaltmiete bezahlt? Wenn ja, warum sollte das so sein?

Wo wir gerade beim Thema Miete sind. Ihr schreit immer geradezu hysterisch, dass die Mieten in Deutschland zu hoch sind.  Im europäischen Vergleich sind unter den Top30 der teuersten Großstädte in Europa gerade einmal Hamburg, München und Frankfurt auf hinteren Plätzen. Berlin schafft es noch nicht einmal in das Ranking. Habt ihr eine Idee, was in einer globalisierten Welt passieren wird, wenn deutsche Mieten in Großstädten billiger werden? Ich verrate es euch: Investoren kaufen, bauen & vermieten nicht mehr in Hamburg, München oder Berlin, sondern nehmen ihr Geld und tragen es dorthin, wo sie bessere Renditen erwirtschaften können. D.h. es werden noch weniger Wohnungen gebaut (was ja bereits jetzt bereits rückläufig ist), darum wird der Wohnungsdruck in Innenstadtlagen noch größer und wir werden statt wie zur Zeit unter 2 % Leerstände in Großstädten uns der 0 % Leerstandsmarke annähern. Wirklich sozial wäre es, wenn ihr Wege schaffen würdet, wie sich der Durchschnittsarbeitnehmer Eigentum aneignen kann. Z.B. über staatliche Mietkauf-Programme. Sozial wäre es, wenn ihr Investitionen ins Eigenheim steuerlich begünstigen würdet und Eigenheimbesitzer gegenüber den Besitzern von Vermietimmobilien nicht benachteiligen würdet. Sozial wäre es, wenn ihr dafür sorgtet, dass in einer oder zwei Generationen nicht nur etwa 50 % der Leute in Deutschland ein Eigenheim haben, sondern 70 oder 80 % und das Mieten eher die Ausnahme wird. Ein Anfang wäre, dass Eigenheime steuerfrei vererbbar sind zur nächsten Generation, ohne Wenn und Aber.
Ungesagte Grundlage eurer Argumentation ist stets, dass jeder überall wohnen können sollte. Da habe ich schon das erste Verständnisproblem: Warum? Warum ist es schlimm, wenn jemand 45 Minuten mit ÖPVN zur Arbeit fahren muss? Warum soll es mir ermöglicht werden, in bester Lage zu wohnen, ohne mehr dafür zu bezahlen? Wie soll das funktionieren, wenn alle nun im besten Stadtteil wohnen möchten? Wer bleibt dann draußen? Warum soll der hübsche sanierte Altbau mit moderner Ausstattung nicht teuer sein? Es gibt kein Grundbedürfnis des Menschen zum Leben, dass er in einer bestimmten Lage wohnen muss. Wenn ich etwas besonderes möchte, das Besondere knapp ist und viele das Besondere haben möchten, dann kostet das nun einmal Geld. Ich möchte gerne einen neuen Porsche fahren, kann ihn mir aber nicht leisten, also fahre ich einen 5 Jahre alten VW. Wo ist das Problem?
Wohnen wird nun einmal immer teurer. Genau wie alles in unserer Gesellschaft immer teurer wird wegen der Inflation. Wohnen ist zusätzlich belastet: Zum einen schlägt die EnEv kräftig zu, wenn man als Vermieter zum Dämmwahn verdonnert wird. Auf der anderen Seite belasten Steuern und Ökoabgaben ohne Ende den Geldbeutel der Mieter über die “zweite Miete”: Nebenkosten. Wie wäre es denn, wenn der Staat einfach mal von Heute auf Morgen die Besteuerung aller Mietnebenkosten in Deutschland aussetzt? Da würde jeder Mieter knapp 50 % seiner Nebenkosten sparen und hätte sofort mehr Geld in der Tasche…

Vermieter vermieten Immobilien nicht zum Spaß, sondern um damit Geld zu verdienen. Sie tragen das Investitionsrisiko für riesige Kreditsummen, das Risiko für Mietausfälle und so manch einer verdient gar nichts an seinen Wohnungen, weil er so knapp kalkulieren muss.

Im Wesentlichen beruhen viele Finanzierungskonzepte eurer Ideen auf der populistischen Idee des Robin Hood: “einfach dem Reichen wegnehmen und dem Armen geben”. Was ich von einer Vermögensteuer halte und wie sich diese Steuer auf Mieten auswirken wird, habe ich bereits im November geschrieben.

Euer Abschnitt zu Integration und Flüchtlingspolitik lässt mich nachdenken. Wir liegen gar nicht soweit auseinander bei diesem Thema. Ich denke auch, dass man Fluchtursachen vor Ort bekämpfen muss – dass diese Fluchtursachen nun gerade hauptsächlich deutsche Waffenlieferungen seien, halte ich mal für ein Gerücht. Spinner auf der ganzen Welt kommen an Waffen. Wenn sie diese nicht bei uns kaufen, kriegen sie die halt von wem anders. Versteht mich nicht falsch: Ich befürworte keine Waffenexporte. Ich halte das Argument einfach nur für falsch, dass Fluchtursachen verschwinden, wenn das noble Deutschland aufhört, Waffen in die Welt zu exportieren.
Ich bin bereit für jeden rechtmäßigen Asylanten, der vor Krieg oder Verfolgung um sein Leben geflohen ist und dem kaum eine andere Wahl blieb, als nach Deutschland zu kommen, alle erdenkliche Hilfe anzubieten. Und da ist das erste Problem: Ich kapiere bis heute nicht, warum Menschen 6000 KM bis nach Deutschland fliehen und dabei mehrere sichere Länder passieren. Wenn ich auf der Flucht bin und mein einziges Anliegen ist, meinen Arsch in Sicherheit zu bringen, warum reise ich dann bis nach Europa oder gar bis nach Deutschland? Katar: sicher. Saudi-Arabien: sicher. Türkei (naja modulo der Despotenspiele von Erdogan): sicher. Oman: sicher. Vereinigte Arabische Emirate: Sicher.
Für Christen, Juden oder etwa Homosexuelle, die in islamischen Staaten verfolgt werden, ergibt es sicherlich Sinn, einen weiten Weg nach Europa auf sich zu nehmen. Würde ich auch machen, bevor ich mich vom Dach eines Hauses werfen lasse. Die sind mir alle herzlich willkommen. Aber bitte erklärt mir, warum jemand, der in diesen Ländern nicht verfolgt ist, der vor Krieg in seinem Land flieht, nach Europa fliehen muss und nicht nach Katar geht. Gibt es einen legitimen Grund? Ich werde einfach noch einmal irgendwann gesondert einen Beitrag zur Flüchtlingspolitik schreiben. Das sprengt hier einfach den Rahmen.

“Für einen linken Feminismus” titelt ihr in eurem Programm. Oooohhhjeee! Da bin ich doch schon gleich getriggered. Ich kann es nicht mehr hören. Gleich zu Beginn haut ihr dem Leser den angeblichen Gender Pay Gap von 21% und die Frauenquote um die Ohren. Ihr bemüht euch noch nicht einmal darüber aufzuklären, dass diese Lücke sehr wohl sehr gut erklärt ist, dass der wahre bisher ungeklärte Pay Gap bei gerade einmal 2 % bis 7 % liegt. Das liest man am besten einmal bei equalpay des Business and Professional Women e.V. nach. Wer über berufliche Gleichberechtigung reden möchte, sollte aber auch darüber reden, warum Frauen knapp 90 % unwahrscheinlicher an einem Arbeitsunfall sterben, als Männer.
Wenn man über Frauenquoten in Spitzenpositionen spricht, sollte man auch über Frauenquoten bei Kanalreinigern, der Müllabfuhr und im Baugewerbe reden. Diese Branchen haben Frauenanteile von unter 1 %. Seien wir einmal ehrlich miteinander: Die bösen großen Konzerne tun ja etwas, was ihr verabscheut: Geld verdienen. Börsennotierte Konzerne im besonderen sind harte, kalte, widerliche Kapitalisten. Die würden alles tun, um ihren Gewinn zu maximieren, oder? Und jetzt sage ich euch warum der Durchschnittskonzern mit Sicherheit keine Frauen für die Auswahl seiner Führungsposten diskriminiert: Sie wollen das Maximum herausholen. Und das Maximum an Kohle holt man als Betrieb raus, wenn man die besten Leute einstellt. Ein kapitalistischer Konzern kann es sich nicht erlauben, dass Toptalente zur Konkurrenz gehen und er wird es sich auch nicht erlauben – völlig egal, was das Toptalent zwischen den Beinen hat.
Die Frauenquote ist der größte diskriminierende Schwachsinn, den ich je gesehen habe. Es bewerben sich deutlich weniger Frauen auf Führungspositionen, als Männer. Trotzdem sollen es am Ende 50 % Frauen sein, die in Führungspositionen enden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ihr entweder wollt, dass nicht mehr die besten eingestellt werden, sondern Geschlechter, statt Talente; oder aber ihr nehmt an, dass Männer seltener zu den Toptalenten zählen, weshalb trotzt unterrepräsentierter Frauenquote bei Bewerbungen zum Schluss 50 % Frauen in Spitzenpositionen sitzen.

Leider ist dieser Brief nun schon so viel länger geworden, als ich es eigentlich wollte und es sind noch so viele Themen offen. Ich werde die übrigen Themen an dieser Stelle aussparen und vielleicht in einem zweiten Brief einmal verarbeiten. Zusammengefasst kann ich euch nicht wählen, liebe Linke, weil: Bis auf 1-2 Kandidaten habt ihr einfach die falschen sichtbaren Leute in der Partei. Es wird populistisch rumgenörgelt und die Umverteilung als Allheilmittel gepredigt. Ihr erschafft künstliche Opferrollen, die real einfach nicht vorhanden sind. Ihr betreibt in vielen Fällen eine Politik der Symptombekämpfung anstatt der Ursachenbekämpfung. Ihr macht eine Politik gegen die Menschen in diesem Land, die einen Großteil der Steuereinnahmen bezahlen.

Das ist keine Politik für mich und darum wähle ich euch nicht.

 

P.S.: Ein konstruktiver Vorschlag zum Ende: Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten ist es möglich, in PDFs Links zu setzen. Deshalb hat es sich als gute Praxis erwiesen, das Inhaltsverzeichnis eines längeren Textes durchzuverlinken auf die Inhalte, um leichter navigieren zu können. Bei eurem Programm wäre das ebenfalls sehr hilfreich. Gebt Bescheid, wenn ihr da Hilfe benötigt. Für günstige Stundensätze kann ich da mal freiberuflich helfen kommen 😉

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